Wo war der Friedhof für die Zwangsarbeiter?

Von Sebahat Arifi

Scheppau Mit einem Zeitzeugen ging es durch die Scheppauer Feldmark auf der Suche nach einer KZ-Grabstelle. War die Suche erfolgreich?

Malerisch ist es an diesem Vormittag in Scheppaus Feldmark. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, ein Jogger nutzt das schöne Wetter für eine Laufrunde. Dass in dieser verträumten Idylle vor fast 70 Jahren 200 Männer ihr Leben gelassen haben, ist kaum vorstellbar.

Doch genau um dieses dunkle Kapitel geht es Diethelm Krause-Hotopp heute. Der Destedter hat die Hoffnung, dass ihm ein Zeitzeuge den Ort in der Scheppauer Feldmark zeigen kann, wo ein Teil der Zwangsarbeiter von Schandelah-Wohld begraben wurde. 800 Gefangene aus ganz Europa mussten dort unter menschenunwürdigen Bedingungen ab 1944 Ölschiefer für die Nazis abbauen. Die meisten verhungerten oder starben an Krankheiten infolge der hygienischen Verhältnisse.

Ihnen zu Ehren wurde die Gedenkstätte Schandelah-Wohld auf Wolfenbüttler Gebiet errichtet. Krause-Hotopp, der sich stark für die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit in unserer Region engagiert, hat sich auch hier maßgeblich eingesetzt. An der Gedenkstätte nun trifft er sich an diesem Tag mit dem 83-jährigen Bernhard Kiekenap. Als junger Reporter der Braunschweiger Zeitung hatte er 1948 über die damals noch stehende Fabrik und Steinbaracken berichtet. In „Ein verlassenes Dorf bei Braunschweig“ schrieb er: „Abseits der Straße, an einem Waldesrand zwischen halbhohem Gras liegt ein Friedhof; er birgt die Gräber von mehr als hundert politischen Häftlingen.“

Diese zweite Grabstelle ist heute kenntlich gemacht. Doch wo war die erste? „Wir wissen eigentlich eine ganze Menge, auf den Luftaufnahmen von 1945 ist die Stelle deutlich zu erkennen.“ Krause-Hotopp blättert in seinem eigens angelegten Ordner auf der Suche nach dem Dokument. Und in der Tat ist darauf ein Rechteck nördlich des Lagers zu erkennen. In diesem Ordner sind auch Bilder von späteren Exhumierungen zu finden und ein dazugehöriger Pathologie-Bericht. „Das Gebiet ist ziemlich feucht, und die Grabstellen waren in keinem guten Zustand. Die Leichen wurden deshalb nach dem Krieg zum Teil in ihre Heimatländer gebracht oder in Braunschweig und auch in Scheppau auf dem Friedhof begraben“, berichtet Krause-Hotopp.

Der namentlich nicht bekannte Pathologe des Landeskrankenhauses Braunschweig schrieb in seinem Bericht über die Exhumierungen: „Die Ausgrabungen fanden auf Veranlassung der englischen Militärregierung am 1. - 3. und 6. - 10. Mai 1946 statt. (...) Es bot deshalb vielfach Schwierigkeiten, die einzelnen Gräber an der richtigen Stelle aufzufinden.“

Sieben Jahrzehnte später stehen nun Krause-Hotopp und Kiekenap in der Scheppauer Feldmark, um eine von ihnen wiederzufinden. Nur wenige Gehminuten von der Gedenkstätte entfernt. „Ich meine, es ist hier“, deutet der 83-Jährige auf eine Stelle, doch der Destedter widerspricht ihm. Anhand seiner Unterlagen könne es eigentlich nur eine andere sein. Sie gehen weiter, direkt über die Felder, die auch heute noch bezeugen, wie feucht das Gebiet ist – schnell ist man knöcheltief im Wasser.

DAS KONZENTRATIONSLAGER SCHANDELAH-WOHLD

Als Außenlager des KZs Neuengamme wurde Schandelah-Wohld eingerichtet.

Bis zu 800 Gefangene aus Ländern wie Belgien, Dänemark, Deutschland, Polen, Spanien oder der Sowjetunion mussten dort ab Mai 1944 bis April 1945 Ölschiefer abbauen.

Etwa 200 Häftlinge starben aufgrund der unmenschlichen Bedingungen. Anfangs wurden sie im Krematorium Salzgitter-Drüte verbrannt, später wurden sie auf einem Friedhof nördlich des Lagers vergraben.

Doch alle Drehungen und Wendungen, Diskussionen und Spekulationen bringen am Ende nicht das erhoffte Resultat. „Ich weiß es wirklich nicht mehr, es ist einfach zu lange her“, muss Kiekenap am Ende zugeben. Eine leichte Enttäuschung kann Krause-Hotopp nicht verbergen: „Es hätte ja sein können“, sagt er schulterzuckend. Doch aufgeben gelte nicht, denn die Hoffnung stirbt zuletzt.

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